Robotik, Konversations-KI und Hybridintelligenz

Robotik, Konversations-KI und Hybridintelligenz

Seit über drei Millionen Jahre benutzen unsere menschliche Vorfahren Werkzeuge, welche ihre Überlebenschancen, Wahrnehmungen und Mobilität steigerten. Im Unterschied zu handwerklicher Tätigkeit wird die Sprache erst dem Homo Sapiens zugeschrieben. Homo Sapiens gibt es schon seit 200.000 Jahren, aber die Sprache in der heutigen Form ist sogar noch später anzusiedeln, vielleicht vor 30 oder 40.000 Jahren, wo zur gleichen Zeit die ersten Kunstwerke entstanden. In diesem Zusammenhang könnte man das Moravecsche Paradox betrachten, welches in den 1980er Jahren von Forschern der Künstlichen Intelligenz und Robotik Hans Moravec, Rodney Brooks, Marvin Minsky und anderen entdeckt wurde. Das Moravecsche Paradox[1] weist dem hochrangigen Denken sehr wenig Berechnungen oder Rechenressourcen zu, wobei aber im Gegensatz die niederrangige sensomotorischen Fähigkeiten enorme Rechenressourcen erfordern[2].

Moravec schrieb: „Vergleichsweise ist es einfach, Computer dazu zu bringen, Leistungen auf Erwachsenenniveau bei Intelligenztests oder beim Dame spielen zu erbringen, und schwierig oder unmöglich, ihnen die Fähigkeiten eines Einjährigen in Bezug auf Wahrnehmung und Mobilität zu vermitteln.“ Hans Moravec: Mind Children. Hrsg.: Harvard University Press. 1988, S. 15 

So stellt sich die Frage, wie man diese beiden Fähigkeiten am besten verbinden kann. Wie können wir unseren Werkzeugen das Sprechen beibringen oder die Robotik-Steuerung sprachlich gestalten, dass diese Werkzeuge/Roboter dann uns als vollständige Mitarbeiter/innen zur Verfügung stehen? Die erste Internationale Konferenz zur Hybrid Human-Künstlichen Intelligenz, welche im Juni 2022[4] startet, wird uns vielleicht die ersten Antworten geben.

Wie kann die Kommunikation aussehen

In der heutigen Realität wird Konversations-KI hauptsächlich bei Webseiten angewendet, um Usern eine Hilfestellung bei Fragen rund um Produkte, Dienstleistungen, Organisationen etc. zu geben.

Ein „Chatbot“ antwortet auf Fragen, deren Inhalt mittels KI-Algorithmen analysiert wird. Dabei wurden in der Vergangenheit oft Standardsätze zurückgegeben, die die eigentliche Frage nicht wirklich beantworteten. Moderne Chatbot Technologien nutzen selbstlernende Algorithmen, um das Chatbot-Ergebnis oder auch Konversationserlebnis (Conversational Experience = CX) zu verbessern. Dabei werden die Algorithmen, Fragen und Antworten nicht mehr auf einem eigenen, limitierten Server gespeichert, sondern man nutzt Cloudsysteme von bekannten Herstellern wie Amazon, Google (=Alphabet) oder Microsoft.

Diese Firmen investieren Millionen in die Entwicklung von modernen und leistungsfähigen Assistenten, die für unterschiedliche Produkte verwendet werden.

Durch die Clouddienstleistungen kann der Mittelstand sehr einfach an diesen modernen Algorithmen partizipieren, da diese Firmen die entsprechenden Algorithmen der Bevölkerung zur Verfügung stellen. Somit entfällt eine sehr teure Eigenentwicklung, so dass mittels modernen Cloudtools, ein Chatbot der neusten Generation innerhalb kürzester Zeit (1-2h) selbst erstellt werden kann.

Dadurch ergeben sich komplett neue Möglichkeiten für den Mittelstand. Hier ist die Vorstellung einiger Ideen.

Konversation KI bei Servierroboter in der Gastronomie

Die Gastronomie wurde durch die Coronapandemie hart getroffen. Lange Schließungen führten dazu, dass sich das Servicepersonal neue Arbeit suchen musste. Dies führt aktuell zu einem extremen Personalmangel, da zu wenig Servicepersonal zur Verfügung steht, um den geregelten Ablauf eines Gastronomiebetriebs am Laufen halten zu können.

Diese Herausforderung für Gastronomiebetreiber kann durch moderne Servierroboter, wie z.B. von Keenon[5][6][7], gelöst werden. Die Roboter besitzen einen stabilen Antriebsstrang, der aus der Saugrobotertechnik bereits bekannt ist. Leistungsstarke Batterien, die durch die generelle Elektrifizierung entwickelt wurden, sorgen für ausreichend Leistung, ohne mit einem Stromkabel verbunden zu sein. Intelligente Distanzsensoren messen hauptsächlich die Abstände zur Umgebung, so dass dadurch der Roboter nicht gegen eine Wand oder ähnliches fährt. Mittels geeigneten Positionsbestimmungsmethoden kann der Servierroboter so konfiguriert und programmiert werden, dass er selbstständig Wege findet. Somit ist es möglich, das Servicepersonal zu unterstützen, indem der Servierroboter das Essen aus der Küche in den entsprechenden Gastraum bringt, und dieses sogar sehr genau vor den entsprechenden Tisch serviert.

Es liegt nun am Gastronomiebetreiber, ob seine Gäste das Essen eigenständig vom Roboter nehmen, oder eine vorhandene Servicekraft das Essen freundlich und persönlich dem Gast serviert.

Da die Servierroboter leistungsfähige Microcontroller und Kommunikationsschnittstellen enthalten (vollwertiger PC) ist es technisch möglich, dass der Servierroboter kontinuierlich über WLAN mit dem Internet vernetzt wird. Dies ermöglicht den Einsatz von Konversations-KI-Methoden (KKI), so dass der Roboter nicht nur liefern und abholen kann, sondern zukünftig auch mit dem Gast sprechen kann. Zum Beispiel könnte der Roboter die aktuelle Speisekarte vorlesen, oder Empfehlungen der Küche nennen. Er könnte die Bestellungen direkt aufnehmen oder etwas über die Spezialitäten der Gaststädte erzählen. Ist die KKI Schnittstelle einmal programmiert und konfiguriert, sind viele Szenarien möglich die der Roboter ausführen kann.

Somit werden die Prozesse in der Gastronomie mittels Roboter optimiert und ein neues Erlebnis generiert.

Lieferroboter in der Industrie

Schon seit einigen Jahren werden Lieferroboter in der Industrie eingesetzt, um schwere Gegenstände von A nach B zu transportieren. Oder es handelt sich um Kleinteile die über größere Strecken transportiert werden müssen, das einen erhöhten Zeitaufwand für Mitarbeiter bedeuten würde.

Mit der KI Methode ist es nun möglich die Roboter etwas menschlicher zu machen, in dem dieser Nachrichten übermitteln kann. Oder mittels dem Chatbot Prinzip (Frage – Antwort) sehr schnell wichtige Informationen bereitgestellt werden können. Z.B. kann ein Mechaniker in einer Autowerkstatt vor Ort am Auto den Lieferroboter fragen, ob das Ersatzteil einer bestimmten Marke auf Lager ist. Der Roboter erkennt den Inhalt, die KI vernetzt sich mit der Datenbank des Lagers und kann blitzschnell die entsprechende Information geben. Ist das benötigte Ersatzteil auf Lager, kann der Mechaniker dieses direkt bestellen, und der Roboter fährt eigenständig los, um das oder die Teile zu holen.

 

Robotertechnik im Handwerk

Auch hier nimmt der Facharbeitermangel kontinuierlich zu, so dass es immer schwieriger wird, qualifizierte Handwerker zu finden. Handwerkliche Arbeit wird als körperlich sehr anstrengend angesehen, so dass die Motivation niedrig ist einen solche Tätigkeit auszuüben. Durch die kontinuierliche Erhöhung des Renteneintrittsalters wird praktisch das Handwerk immer unattraktiver.

Dieser größer werdende Personalmangel wird den Einsatz von modernen Roboter nach vorne treiben. Werden heutige Roboter hauptsächlich dafür eingesetzt, den Handwerker so zu unterstützen, damit er nicht durch seine eigene Muskelkraft schnell ermüdet, kann in Zukunft der Roboter mittels Kamerasysteme und der Internetkonnektivität weitere Informationen schnell und einfach beschaffen. Welcher Putz ist am besten geeignet für den Untergrund. Wo sollte der Roboter am besten anfangen. Alle solche Informationen könnten einfach abgefragt werden, so dass die körperlichen Anstrengungen im Handwerk reduziert werden, und der Berufsstand wieder attraktiv für Neueinsteiger wird. So präsentierte Japan den ersten Humanoider Roboter für die Überprüfung der Oberleitung[8].

Weiter zur Hybridintelligenz

Diese Beispiele zeigen sehr gut, dass der Bedarf an Fachkräften weiter steigen wird. Sei es in der Gastronomie, Industrie oder im Handwerk. Konversationsbasierte Robotik nimmt keine Arbeitsplätze weg, sondern unterstützt den bereits vorherrschenden Facharbeitermangel und generiert parallel dazu neue Arbeitsplätze. Die Roboter müssen gewartet, konfiguriert und repariert werden. Ein komplett neuer Berufszweig wird dadurch entstehen. Die Unterstützung der menschlichen Intelligenz durch künstliche Intelligenz zur Hybridintelligenz. Die Befürchtungen, dass Asien mittels der günstig gelieferten Hardware den europäischen Arbeitsmarkt negativ beeinflusst, kann so nicht bestätigt werden, da die Individualisierung (Customizing) zusätzliche Arbeitsplätze schafft. Die teilweise heutige schon und zukünftige IT-Lösungen werden die Nutzung so einfach machen, dass keine Programmierkenntnisse mehr erforderlich sind. Die Funktionalität muss nur noch durch Klicks, Spracheingaben und entsprechende Verlinkungen so zusammengestellt werden, damit eine neue für den Einzelfall ideale Lösung entsteht.

Autor: Dr. Svetlana Meissner

 

[1]                    https://de.wikipedia.org/wiki/Moravecsches_Paradox#:~:text=Das%20Moravecsche%20Paradox%20ist%20die,sensomotorische%20F%C3%A4higkeiten%20enorme%20Rechenressourcen%20erfordern.

[2]                    https://youtu.be/hcfVRkC3Dp0

[3]                    Hans Moravec: Mind Children. Hrsg.: Harvard University Press. 1988, S. 15 (englisch)

[4]                    https://www.hhai-conference.org/

[5]                    https://www.proteus-robotik.eu/

[6]                    https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/roboter-kellner-forsthof-steinheim-an-der-murr-100.html

[7]                    https://youtu.be/CF6f20Y8o-k

[8]                    https://www.golem.de/news/jr-west-humanoider-roboter-prueft-oberleitungen-der-japanischen-bahn-2205-165116.html